Wer wir sind

Das Forschungsprojekt  Zentrum für digitale kulturelle Materialitäten (ZEDIKUM) an den Staatlichen Museen zu Berlin wurde im Sommer 2015 von Prof. Dr. Markus Hilgert, dem ehemaligen Direktor des Vorderasiatischen Museums an den archäologischen Museen auf der Museumsinsel eingerichtet und ist seit Juni 2018 an der Generaldirektion unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Bienert angesiedelt. Es bildet die gemeinsame Infrastruktur- und Serviceplattform für alle Anforderungen der 3-dimensionalen Virtualisierung im Kulturerbe und in den interdisziplinären Forschungsfeldern der Digital Humanities. Das Zentrum bündelt einrichtungsübergreifend eine Vielzahl von Digitalisierungsprojekten in den Sammlungen, erledigt konkrete Scanaufträge und entwickelt Werkzeuge zur nachhaltigen Nutzung und Verfügbarkeit digitaler 3D Modelle in Restaurierung, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Neben den Digitalisierungszentren zur 2D Reproduktion und den Studios zur Digitalisierung der Sound- und Videomaterialien fundamentiert es die dritte Säule der digitalen Transformation der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

ZEDIKUM fokussiert sich darauf, museale Kulturgüter in virtuellen und interaktiven Umgebungen verschiedenster Art erfahrbar zu machen und vermittelbar zu gestalten. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Generierung, der nachhaltigen Speicherung und der flexiblen Nutzung von dreidimensionalen Daten. Die vielfältige Nutzung der Daten findet in den Bereichen Dokumentation, Grundlagenforschung und museale Präsentation statt. Zudem wird die Entwicklung von mobilen, wirtschaftlichen Verfahren zur Kulturgutdokumentation und die öffentliche Bereitstellung der Daten (Open Access, Open Data) angestrebt.

Zielsetzungen

ZEDIKUM zielt auf die Herausbildung von Kompetenzen im Bereich der Virtualisierung des Kulturguts, der wissenschaftlichen Methodik, belastbarer Referentialität und Authentizität sowie medienrechtlicher einwandfreier Praktiken der Kontrolle und des Austauschs. Im Verbund mit seinen institutionellen und unternehmerischen Partnern entwickelt es die museale Sammlung in den virtuellen Raum und wird zu einem Baustein auf der Roadmap digitaler Forschungsinfrastrukturen. Einen auch international sichtbaren Beitrag leistet das ZEDIKUM im Bereich der präventiven Dokumentation und Rekonstruktion von archäologischen Kulturgütern in Krisen- und Kriegsregionen. Es unterstützt den kulturpolitischen Auftrag zum Dialog von Wissenschaft und Öffentlichkeit, zum Aufbau und zum freien Zugang zu digitalen Sammlungsbeständen sowie zu interdisziplinärer wissenschaftlicher Vernetzung und Kooperation. Aus diesem Komplex kristallisieren sich die drei Kernaufgaben heraus:

  • 3D Scanning Methoden und Techniken zur Generierung von 3D Objektdaten
  • 3D Dokumentation Nachweis und Bereitstellung von 3D Objektdaten
  • 3D Nutzungsszenarien VR, AR, online und klassische Anwendungen im Museum, Wissenschaft, Vermittlung, Kreativ-Wirtschaft und Gaming-Industrie

Digitalisierung

Streifenlichtscan eines Ostrakons

Es gibt keine allgemein gültige Definition für den Begriff (3D-)Digitalisierung. Bei Zedikum bezieht sich die dreidimensionale Digitalisierung immer auf die Schaffung eines exakten, dreidimensionalen, digitalen Abbilds von einem analogen Objekt. Das Endergebnis ist ein Digitalisat. Auf dem Weg dahin entwickeln sich verschiedene Derivate die durch unterschiedliche Fragestellungen und Anforderungen an das analoge und/oder digitale Objekt entstehen. Wird ein fiktives Objekt oder eine künstlerische Umgebung im virtuellen Raum erschaffen, spricht man von Modellierung oder Konstruktion und dem digital born object. Wird ein Digitalisat oder eine 3D-Modellierung anhand profunder, zusätzlicher Quellen ergänzt (Literatur, Bildquellen, Funde, Befunde, …) spricht man von Rekonstruktion.

Methoden

Streifenlichtscan

Das stereoskopische Scanverfahren mit einem Lichtprojektor (Structured Light Scanning) hat sich besonders im Bereich der Erfassung archäologischer Objekte durchgesetzt. Mit dem Streifenlichtscanner der Firma Aicon wird die Objektoberfläche mit einer Genauigkeit von bis zu 8 µm und einer Auflösung von bis zu 20 µm aufgenommen. Ein mit Weißlicht auf das Objekt projiziertes Streifenmuster ermöglicht anhand verschiedener optischer und trigonometrischer Algorithmen die hochgenaue Berechnung der Geometrie. Zusätzlich wird die Textur mit den beiden 8 MP Farbkameras erfasst. Durch diese Kombination entstehen nahezu realistische Abbilder der Objekte. Die hohe Auflösung macht auch kleinste Strukturen sichtbar, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind und ermöglicht die berührungslose Untersuchung und Modellierung der Artefakte. Durch die Flexibilität des Systems können Objekte von Zentimetergröße bis Metergröße hochgenau erfasst werden.

structure from motion

Doch auch das Streifenlichtscanverfahren hat seine Grenzen. Reflektierende, absorbierende und transluzente Oberflächen sind, wenn überhaupt, nur schwierig zu erfassen. Hierfür müssen alternative Methoden eingesetzt werden, beispielsweise durch ein photogrammetrisches Verfahren (Structure from Motion – SfM). Das Aufnahmeverfahren nutzt die Mehrbildphotogrammetrie. Dafür wird das Objekt mit sich stark überlappenden Digitalfotos erfasst. Unterschiedliche, spezialisierte photogrammetrische Algorithmen errechnen die Aufnahmeposition der Bilder und daraus wiederum die 3D Koordinaten der Objektoberfläche. Die Auflösung ist bei diesem Verfahren nicht exakt bestimmbar. Durch die Verwendung hochauflösender Nahbereichsbilder und kalibrierter Festbrennweitenobjektive kann jedoch eine Auflösungs- und Genauigkeitssteigerung erreicht werden. Dieses Verfahren basiert auf der Aufnahme von Digitalbildern, ist dadurch kostengünstig und einfach umzusetzen und minimiert aufgrund indirekter Lichtquellen die Reflexion der Objekte. Damit ermöglicht die Kombination beider Verfahren eine vollständige Digitalisierung besonders von schwierig zu bearbeitenden Objekten mit unterschiedlichen Oberflächenmaterielien.

BeWeB-3D

In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Ausschreibung „Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes: eHeritage“ geförderten Projekt „BeWeB-3D – Bewegungsbücher digital“ wird an der Staatsbibliothek zu Berlin in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für digitale Kulturgüter in Museen (ZEDIKUM) eine Konzeptstudie zur Digitalisierung dynamischer Buchobjekte entwickelt. Das besondere Merkmal der sogenannten Bewegungsbücher ist die Interaktion. Die ältesten Zeugnisse des Mediums „movable books“ reichen bis in das 13. Jahrhundert zurück. Damals waren es vor allem funktionale Aspekte, die Anlass gaben, mehr oder weniger komplexe Papiermechaniken zu verwenden: Drehbare Volvellen machten es möglich, die einige Kilogramm schweren Bücher zu studieren, ohne diese selbst drehen zu müssen; Lehrbücher mit zu öffnenden Klappmechanismen gestatteten das Studieren der Anatomie eines menschlichen Körpers.

Bei den Spielbilderbüchern des 17. bis 19. Jahrhunderts wurde schließlich eine derart große Vielfalt unterschiedlicher interaktiver Mechanismen eingesetzt, dass diese ideal dazu geeignet erscheinen, das gesamte typologische Spektrum an Bewegungsbüchern abzudecken: Es gibt Bücher mit drehbaren Scheiben, Klappen zum Öffnen, Laschen zum Ziehen, Bücher mit versetzbaren Figuren, Bücher, die sich in die dritte Dimension auffalten lassen oder sich beim Aufklappen automatisch entfalten und alle möglichen Mischformen.


Ziel des Vorhabens ist die Erstellung eines generischen Konzepts zur Digitalisierung von Bewegungsbüchern mit 3D-Elementen auf der Grundlage des international beachteten urheberrechtsfreien Bestandssegments der Bewegungsbücher in der Kinder- und Jugendbuchabteilung. Dieses Konzept soll das Fundament dafür legen, zunächst die angesprochene Sammlung von historischen Spielbilderbüchern und perspektivisch die Vielfalt der in den Museen, Bibliotheken und Archiven der Stiftung Preußischer Kulturbesitz oder auch in anderen Einrichtungen verwahrten dynamischen Buchobjekte und klappbaren Bildträger im Rahmen von Folgeprojekten zu digitalisieren.

In einem ersten Schritt wird das Projekt die sich in ihrem jeweiligen Beweglichkeitsgrad stark voneinander unterscheidenden Werke entsprechenden Kategorien zuordnen. In Kooperation mit dem technischen Partner ZEDIKUM wird sodann untersucht, welche Verfahren der Digitalisierung sich für die jeweiligen Buchtypen eignen. Da dabei die digitale Übersetzung der interaktiv-performativen Dimension von entscheidender Bedeutung ist, gilt es, verschiedene Digitalisierungsverfahren zu erproben u.a. unter Einsatz von Game-Engines, die im Rahmen des Computerspieledesigns Anwendung finden. Aufgrund der zu erwartenden Komplexität dieses Arbeitspakets werden in enger Zusammenarbeit mit Forschenden verschiedener Disziplinen Szenarien der wissenschaftlichen Nutzung der erzeugten Digitalisate ermittelt.

🌐 Projektseite

Einen ersten Einblick in die prototypische Umsetzung eines Spielbilderbuchs gibt das SBB Lab.

Aus Lothar Meggendorfers Aufstellbuch ‚Im Stadtpark‘ entstand ein Labyrinth, welches prototypisch mit VR-Brille erkundet werden kann